Der Historische Hauberg

Der folgende Abschnitt ist ein Zitat aus (Becker, A: Der Siegerländer Hauberg, 1991) in einer gegenüber der Veröffentlichung überarbeiteten Fassung:

Die frühere multifunktionale Haubergswirtschaft hat ihre Existenzgrundlagen verloren. Sie kann daher abweichend vom Brennholz-Niederwald auf größeren Flächen nicht fortgeführt oder wiederhergestellt werden.

Dennoch liegt es im Interesse der Traditionspflege, der Dokumentation, des Schul-Sachunterrichts sowie auch von Forschung und Lehre, wenigstens eine kleine Fläche zu erhalten, auf der die historische Haubergwirtschaft fortgesetzt wird bzw. wiederaufleben kann.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere das Wertverhältnis von Nutz- zu Brennholz, erzwingen an sich eine Umwandlung der Hauberge in Hochwald. Das gilt spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts. Dies Ziel haben Haubergsgenossenschaften und Forstbehörden konsequent verfolgt. Gegenüber früheren Prognosen (z.B. DOEPNER, SZ v. 30.5.1973) hat sich aber das Tempo der Umwandlung erheblich verlangsamt und hat sich das erwartete Verhältnis von Laub- zu Nadelhochwald zugunsten des Laubwaldes verschoben. DOEPNER sagte 1973 voraus, daß die Umwandlung der Niederwälder im Jahre 2000 im Wesentlichen abgeschlossen sein werde und, daß zu diesem Zeitpunkt der Nadelwald ca. 70 %, der Laubwald ca. 30 % der Waldfläche ausmachen werde.Wir stellen heute fest, daß im Jahre 2000 noch ca. 6000 bis 7000 ha Niederwald im Siegerland vorhanden sein und sich Laub- und Nadelbäume insgesamt etwa die Waage halten

Eine weitere wesentliche Änderung der erwarteten Entwicklung ist dadurch eingetreten, daß mehr und mehr Stimmen laut wurden, die für eine Erhaltung des Niederwaldes zumindest auf Teilflächen plädieren.

Die Gründe für diese Empfehlung sind vielfältig:

Erfordernisse des Boden- und Wasserschutzes, des Biotop- und Artenschutzes, aber auch das Ziel der Erhaltung von Teilflächen einer wirtschaftsgeschichtlich bedeutsamen und in vieler Beziehung einzigartigen Kulturlandschaft.

Schon 1964 findet sich im Siegerländer Heimatkalender, S.145, unter der Überschrift Blühender Wildapfelbaum folgende Bemerkung: Wissenschaftliche Stellen empfinden bereits heute den Mangel, daß es versäumt wurde, die gesamte Haubergswirtschaft im Jahreslauf - Teilen, Lohschälen, Hacken, Rasenbrand, Aussaat des Getreides, die jungen Loden, Reifen des Kornes, Ernte usw. - systematisch im Lichtbild festzuhalten. Welch eine Fülle von Bildern für die Archive, für die Forschung und für spätere Geschlechter hätte das gegeben!

Professor ROMELL aus Schweden schrieb in einem Aufsatz über Reutbetriebe und ihr Geheimnis in Studium generale, wiedergegeben im SHK 1969, S.133/134: Heute wird in den Haubergen nicht mehr geschwendet, und kein Besenginster erscheint auf den Kahlschlägen. Statt dessen wuchert und blüht Drahtschmiele dicht wie Roggensaat. Man wünscht, daß von solch einem einzig dastehenden Kulturdenkmal, das noch dazu von hervorragendem ökologischen Interesse ist, etwas erhalten werden könnte, wenigstens in musealen Formen .

Professor Dr. Jost Trier führt 1962 in Holz. Etymologien aus dem Niederwald, ebenfalls wiedergegeben im SHK 1969, S. 134, u.a. aus: Möchte ... der Krombacher Hauberg und der von Littfeld, die uns viel glückliche Anschauung geschenkt haben,noch nicht in Fichtenschonungen verwandelt sein. Möchten auch anderwärts einsichtige Männer dafür sorgen, daß die Niederwaldwirtschaft, dieser lebende Zeuge sprachgestaltender Altzeit, nicht ganz aus der deutschen Landschaft verschwindet.

Wie aus einem unveröffentlichten Manuskript von Dr. Martin DENKER (1974) hervorgeht, mit welchem er einen Kostenvoranschlag für die Durchführung historischer Haubergsarbeiten erarbeitete, war damals ein Museumshauberg in Burbach geplant. Das Gutachten wurde im Auftrag der Unteren Lanschaftsbehörde erstattet.

Josef HOFFMANN (Der Haubergswanderer) schrieb 1985 in Heft 10 der Schriftenreihe der Wilhelm-Münker-Stiftung: Ehe der letzte Hauberg fällt, sollte - diese Anregung dürfte offene Herzen finden - irgendwo im Haubergsgebiet ein Gelände ausgewählt werden, auf dem nach 2500-jährigem Bestehen auch weiterhin ein Stück Haubergswald - wie anderswo ein Stück Heide oder Moor - der Nachwelt erhalten bleiben, der nach altem Brauch streifenweise im gewohnten Wechsel gefällt wird, im übrigen aber das alte Haubergsbild mit all den Baum-, Strauch- und Pflanzenarten bewahrt, wie sie für den Hauberg kennzeichnend sind. Er würde die Nachfahren des Haubergsvolkes - und nicht nur diese - daran erinnern, was der Hauberg 2500 Jahre hindurch einmal war.

Dieser Aufruf findet sich bereits in dem 1959 verlegten Buch HOFFMANNS Wildrosen im Hauberg, S. 369. Bemerkenswerterweise steht in dieser (wohl ursprünglichen) Fassung vor dem letzten Satz folgender - eingeschobener - Satz: Dieser Schutzwald eigener Art wäre dann eine dokumentarische, museale Fortsetzung jenes Hauberges, dessen Wesen und Gestalt wir kennen.

Professor OLTERSDORF beklagt 1987 in seinem Aufsatz Die Folgen der industriellen Entwicklung für den ländlichen Raum des Siegerlandes, daß für die Wiederbelebung z.B. eines Haubergs- oder Rieselwiesenareals kein Raum sei.

Professor Dr. Richard POTT hat anläßlich einer Lehrfahrt des Forstvereins für Nordrhein-Westfalen im Juni 1989 im östlichen und südlichen Siegerland die Wiederbelebung der alten Haubergswirtschaft auf einer kleinen Fläche vorgeschlagen und zur Begründung u .a. ausgeführt: Nicht wegen des Naturschutzes, sondern aus musealen Gründen. Die Siegerländer Haubergswirtschaft findet Interesse bei Wissenschaftlern aus aller Welt. Kollegen aus dem ganzen europäischen Ausland, aus Amerika und Australien kommen hierher , um sich im Siegerland die beispielhafte Nutzung und Veränderung des Waldes durch den Menschen anzusehen.

Ein Jahr später schreibt Professor POTT in Heft 28 der Schriftenreihe der Wilhelm-Münker-Stiftung: Allerdings sollten aber auch eizelne charakteristische Haubergsflächen weiterhin in traditioneller Form bewirtschaftet werden, um diese einzigartige Waldform des südwestfälischen Berglandes als kulturhistorisches Erbe zu bewahren.

Andernorts ist diese Idee eines Museumswaldes bereits verwirklicht, z.B. auf dem Hönggerberg bei Zürich, wo in einem Gemeinschaftsprojekt der ETH Zürich und des Stadtforstamtes die mittelalterliche Waldform Mittelwald im sogenannten Versuchswald wiedererstanden und der Bevölkerung wie der studierenden Jugend zugänglich gemacht ist.

Wie bei einem Besuch des Versuchswaldes Ende April 1992 festzustellen war, ist die Bevölkerung keineswegs begeistert von der kürzlich vorgenommenen Hiebsmaßnahme (Abhieb des Schlagholzes und Entnahme einiger Oberständer). Auch ein Hinweis auf die relativ schnell zu erwartende Wiederbegrünung wurde nicht recht akzeptiert.

Eine andere bedeutsame Form der Niederwaldwirtschaft, die Reutefeld-Wirtschaft im Schwarzwald, hat immerhin im Waldmuseum im Rahmen des Schwarzwälder Freilichtmuseums Vogtsbauernhof eine würdige Darstellung gefunden (s. BERNAUER, 1989).

Bis zur Verwirklichung eines vergleichbaren Projektes im Siegerland waren erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten zu überwinden. Seit Vertragsschluß am 21. Dezember 1991 ist jetz aber -zumindest für die Vertragsdauer von 10 Jahren- ein Historischer Hauberg gesichert:

Der Vertrag

In Ermangelung einer geeigneten Fläche im Besitz der öffentlichen Hand wurde ein Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstverwaltung) und einer Waldgenossenschaft im nördlichen Siegerland geschlossen. In diesem Vertrag verpflichtet sich die Waldgenossenschaft Fellinghausen, auf einer Teilfläche ihres Waldbesitzes von rd. 24 ha die Niederwaldwirtschaft, auf jährlich 0,5 ha innerhalb dieser Teilfläche den gesamten Komplex der historischen Haubergnutzung fortzuführen. Das Land zahlt einen Ausgleich für den Verzicht auf ertragsstärkere Hochwaldnutzung und für die Mehrarbeit bei historischer Bewirtschaftungsform.

Daß ausgerechnet die Waldgenossenschaft Fellinghausen für den Historischen Hauberg ausgewählt wurde, hängt damit zusammen, daß in dieser Waldgenossenschaft noch reichlich Flächen mit jungem, ausschlagfähigem Hauberg vorhanden waren. Es ist ein merkwürdiger Zufall, daß Fellinghausen (Weiden) von 1833 bis zu seinem Tode am 9.2.1849 Wohnort des Karl Friedrich SCHENCK war, des Verfassers der Statistik des Kreises Siegen von 1820, in welcher er der Haubergswirtschaft immerhin 40 Seiten widmete.
Für die Vertragsfläche wurde eine neue Schlageinteilung und Schlagreihe entwickelt , ein besonderer Betriebsplan erarbeitet und eine Konzeption für die Abwicklung der Arbeiten geschaffen.

Die Vertragsfläche ist jedermann zugänglich. Hinweisschilder und Prospekte informieren über Einzelheiten des Vorhabens. Gruppenführungen können auf Bestellung durchgeführt werden. Dokumentationen zu technischen Vorgängen, Arbeitsverfahren, Kleidung und Trachten sind erwünscht, Anregungen sehr willkommen. Kontaktadressen für Anmeldungen etc. sind nach der letzten forstlichen Neuorganisation im Lande NRW:

Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein
Vormwalderstr.9
57271 Hilchenbach
Tel. 02733/89440
Waldgenossenschaft Fellinghausen
Waldvorsteher Dr. Bernhard Kraft
Auf dem Hainchen 10
57223 Kreuztal
Förderverein Historischer Hauberg Fellnghausen e.V.
Herr Ulrich Gießelmann
Landstraße 101 
57223 Kreuztal

Eine tabellarische Übersicht über die ersten 10 Jahre des Historischen Haubergs findet sich hier.

Der Fellinghäuser Hauberg ist inzwischen zu einem vielbeachteten und vielbesuchten Freilichtmuseum geworden, wie u.a. ZIMMERMANN (1993) darstellt. Auch die Broschüre 25 Jahre Kreuztal, Stadt am Kindelsberg, (1994, Hrsg. Stadt Kreuztal) würdigt den Historischen Hauberg Fellinghausen auf 2 Seiten.

Eine umfassende Bilddokumentation über den Historischen Hauberg, die sowohl die einzelnen Haubergsverrichtungen als auch die ökologischen Besonderheiten und Funktionen des Niederwaldes anschaulich darstellt, ist 1995 als Heft 1 der Schriftenreihe der Landesforstverwaltung NRW unter dem Titel BILDER AUS DEM HAUBERG erschienen.


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