Der Siegerländer Hauberg in seiner historisch überlieferten Form ist ein Eichen-Birken-Niederwald mit wenig anderen Laubbaumarten, der alle sechzehn bis zwanzig, im Mittel alle achtzehn Jahre, abgetrieben, als Brennholz beziehungsweise Kohlholz genutzt wird und danach selbständig aus dem Stock ausschlägt.
Zwischen den Stockausschlägen wurden im Jahr des Abtriebs Bodenbewuchs und Laubstreu abgezogen, gedörrt und verbrannt. Danach wurde entweder im Herbst Roggen oder im Juni Buchweizen eingesät und im August des zweiten Jahres bzw. im September des ersten Jahres geerntet.
Nach einer Schonzeit von fünf bis sieben Jahren, wurde sieben bis elf, im Mittel neun Jahre lang, Vieh (Rindvieh oder Schafe) zur Waldweide in den Hauberg getrieben. Dann folgte der erneute Abtrieb.
Alle Haubergsarbeiten waren zeitlich und sachlich aufeinander abgestimmt. So z.B. war die Entfernung des Reisigs für Brennzwecke Voraussetzung der Bodenbearbeitung zwecks landwirtschaftlicher Zwischennutzung. Die Lohegewinnung zur Zeit der stärksten Kambium-Aktivität der Eiche kann gerade so rechtzeitig abgeschlossen werden, daß die Eiche danach noch aus dem Stock ausschlagen und überlebensfähige Triebe bilden kann.
Ein weiteres wichtiges Merkmal des Haubergs ist, daß das Waldeigentum gemeinschaftliches Eigentum der Bewohner einer Ortschaft ist, die den Hauberg auch gemeinschaftlich bewirtschaften. Die Anteilseigner bilden eine Haubergsgenossenschaft mit einem Vorstand und einem Vorsitzenden des Vorstandes, dem sogenannten Haubergs- oder Waldvorsteher.
Neben den Besonderheiten der Wirtschaftsform weist also der Hauberg andere Besonderheiten der Baumartenzusammensetzung, der Vielfach- Nutzung, der Eigentumsform und der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung auf. Alle diese Besonderheiten haben historische Ursachen.
Zur Einordnung des Haubergs in andere Formen der Niederwaldwirtschaft s. HABERKERN-WALLACH (1974) und BECKER (1995).
Jung Stilling
Eine anschauliche Schilderung der klassischen Haubergswirtschaft ist uns von Johann Heinrich JUNG, genannt Jung-Stilling, überliefert, der 1740 in Grund bei Hilchenbach geboren wurde und später Professor der Kameralwissenschaften in Kaiserslautern, Heidelberg und Marburg war. Er schreibt 1775:
"Sobald nun das Wetter erträglich und die Erde bloß ist, welches gemeiniglich im April geschiehet, so fangen sie an zu räumen. Dieses geschieht folgendergestalt: Sie haben schwere Messer mit hölzernen Stielen, welches sie eine Heppe nennen, an welcher vorne ein Schnabel quer vorstehet, welcher das Instrument schützt, damit sie nicht leicht damit in Erde und Steine hauen mögen, es hat übrigens viele Ähnlichkeit mit dem Messer, welches die Böttger gemeiniglich im Schurzfell stecken haben. Mit diesem Werkzeuge gehet ein jeder in den Hagen, suchet seinen Jahn auf (so nennen sie die abgeteilten Stücke des Gebüsches), und alsdann hauen sie alles Gehölze, welches nicht über einen Daumen dick ist, nebst den Ästen der größeren Bäume, soweit sie dieselben erreichen können, rein und kahl aus. Dieses Gebüsch binden sie in Bündlein oder Schanzen zusammen, legen sie in Scheuern oder Schoppen, und lassen es austrocknen; und dieses gibt ihnen ihren jährlichen Vorrat des Brennholzes ab, womit sie Küchen und Öfen versorgen. Im Mai geben sie sich ans Niederhauen: ein jeder hauet nämlich alles dicke Holz rein ab; die noch übrigen Äste schneiden sie sich auch aus und streuen sie auf die Jähne, die Stämme aber legen sie auf Haufen, und brennen im Herbste Kohlen daraus. Im Junius hacken sie, ein jeder auf seinen Jähnen, die Rasen rein ab, so, daß der ganze Hagen zu Ende dieses Monats ganz kahl abgeschälet ist. Im Julius, zwischen der Heuernte, kehren sie mit eisernen Krapen alle Rasen um, damit sie auf beiden Seiten trocknen können. Im August legen sie das ausgedorrte Reisig auf kleine Haufen, ziehen die Rasen auf diese Holzhaufen, so, daß alle Rasen von der Erde auf das Holz gesammelt werden; sie kehren aber immer vorn die Mündung jedes Rasenhaufens gegen den Wind, so, daß das Holz oder Reisig von vornen bloßstehe. Nun zünden sie alle Rasenhaufen an, und der ganze Hagen rauchet wie eine Feuersbrunst, alle Rasen brennen sodann zu lauter Asche. Diese Asche wird im September mit eisernen Schaufeln zerworfen, das ist: sie wird überall gleich dick gestreut; hernach besäet ein jeder seine Jähne mit Roggen, welcher jahraus, jahrein in diesen Bergen wohlgedeiht, nur, daß das Stroh niemals die Stärke des Feldstrohes erreicht. Diese Saat wird alsbald, wann das Korn gesähet ist, mit großen eisernen Hacken, die die Form eines solchen T haben, und von Ochsen gezogen werden, eingehackt, damit es von Erde und Asche dünn bedeckt werde. Wenn nun das folgende Jahr das Korn eingeerntet worden; so bleibt der Hagen sechzehn Jahre ruhig liegen. Der Boden ist nun durch die Asche gedüngt, die Wurzeln schlagen mit den fettesten Holzsprossen aus, und das Gebüsch wird innerhalb sechs bis sieben Jahren wiederum so dicht, daß man kaum dadurch gehen kann, und nach sechzehen Jahren haben die Stämme durchgehenst die Dicke eines Arms oder Mannsschenkels. Da aber auch Gras und Kräuter reichlich auf dem Boden wachsen; so wird ein solcher Hagen nur drei bis vier Jahre befreit, hernach aber weidet man das Vieh ungehindert und ohne Schaden darin. Die Einwohner haben also jährlich einen solchen Hagen zu benutzen, ziehen sich Holz und Brotfrucht, ohne jemals Abgang zu befürchten."
Eine weitere Nutzung des Haubergs erwähnt Jung-Stilling nicht, nämlich die Lohegewinnung, die Gewinnung der Eichen-Gerbrinde. Das ist möglicherweise kein Zufall. Wahrscheinlich ist das Lohschälen erst seit dem neunzehnten Jahrhundert allenthalben in den Haubergen vorgenommen worden.
(Aus Alfred Becker, Der Siegerländer Hauberg, ©1991 Verlag die Wielandschmiede, Überarbeitete Fassung 2000 )
An english version of this Introduction can be found here.